ERSCHEINUNGSFORMEN DES RECHTSEXTREMISMUS

Rechtsextremismus hat vielerlei Ausprägungen aufgrund seiner ideologischen Vagheit (vgl. Eckhard). Die unten angeführten Erscheinungsformen weisen viele Überlappungen auf und sind grundsätzlich eher fluid, ohne klare Grenzen.

“Neue Rechte”

Pfahl-Traughber (2019) definiert die Neue Rechte wie folgt: “Neue Rechte steht für eine Intellektuellengruppe, die sich hauptsächlich auf das Gedankengut der Konservativen Revolution der Weimarer Republik stützt, eher ein Netzwerk ohne feste Organisationsstrukturen darstellt und mit einer ‘Kulturrevolution von rechts’ einen grundlegenden politischen Wandel vorantreiben will”.

Beim Begriff Neue Rechte handelt es sich jedoch um eine strategisch motivierte Selbstbezeichnung; staatliche Repressionsdrohungen und Misserfolge bei Wahlen waren historisch immer wichtige Beweggründe für Wandel in rechtsextremen Kreisen. Schon in den späten 1960er Jahren gab es in Westeuropa eine Wende innerhalb der Rechtsextremen, die sich zunehmend von ihren Vorgängern distanzierten, um der gesellschaftlichen Ablehnung und behördlichen Verboten entgegenzuwirken. Als Resultat positionierten sich rechtsextreme Gruppen erneut als Gegen-Intellektuelle und versuchten, ihr großteils faschistisches Gedankengut vom Nationalsozialismus abzugrenzen, wodurch die sogenannte Neue Rechte entstand (Peham 2014, 31ff; Ahmed / Pisoiu 2019).

Bei der „Neuen Rechten“ handelt es sich um keine feste Gruppierung, sondern um ein loses Netzwerk, welches versucht, alte Rassismen ein neues, intellektuell wirkendes Erscheinungsbild zu geben (auch der Begriff „Neue Rechte“ ist nicht neu, in der BRD tauchte er in den 1960er Jahren auf). Diese neue Erscheinungsform steht eher für neue Strategien als für grundlegende inhaltliche Veränderungen. Im Mittelpunkt der neurechten Strategie steht die stilistische Änderung, mit der versucht wird, altes rechtsextremistisches Gedankengut mit neuen Begriffen zu verkaufen, etwa wie der neue Fokus auf “Kulturen” statt “Rasse”. (Peham 2014)

Ziel der „Neuen Rechten“ ist es, eine gesellschaftliche Hegemonie von rechts zu erreichen, indem sie Debatten und das gesellschaftliche Klima nach rechts verschieben. Um für breitere Bevölkerungskreise anschlussfähig zu werden, verzichtet die „Neue Rechte“ auf eine offene Bezugnahme auf den historischen Nationalsozialismus. Stattdessen bezieht sie sich auf antidemokratische Autor*innen der Weimarer Republik, z.B. Carl Schmitt, Oswald Spengler oder Ernst Jünger.

Weitere Quellen zu dieser Szene und den dazugehörenden Gruppen wie die Identitäre Bewegung, das rechtsextremistische Magazin COMPACT, Ein Prozent e.V. oder dem Institut für Staatspolitik (IfS):

Ahmed, Reem; Pisoiu, Daniela (2019): How extreme is the European far right? Investigating overlaps in the German far-right scene on Twitter
“The aim of this report is to determine the overlaps apparent in the far-right scene on Twitter, and specifically, to ascertain the extent to which different groups on the scene are indeed talking about the same issues in the same way, in spite of apparent differences in tone and underlying ideologies. We utilise a mixed-methods approach: first, gaining a cursory insight into the extreme right-wing scene on Twitter across Europe; and then applying a detailed frame analysis to three selected groups in Germany to determine the implicit and explicit overlaps between them, thus complementing the quantitative findings to offer an in-depth analysis of meaning.”

Armin Pfahl-Traughber (2019): Die "Neue Rechte" ist – und was nicht.
“Ob Interview, Buchmesse, Buchveröfffentlichung: Die "Neue Rechte" machte in den vergangenen Jahren immer wieder Schlagzeilen. Wer oder was steckt dahinter?”

Peham, Andreas. 2014. Alte Rechte im neuen Kleid. Zu den aktuellen Modernisierungsversuchen des organisierten Rassismus. In: Bundesministerium für Inneres (Hg).: KZ-Gedenkstätten und die neuen Gesichter des Rechtsextremismus.
“Rechtsextremismus als politisches Syndrom ist bei allen Kontinuitäten weit davon entfernt, ein statisches Phänomen zu sein. Vielmehr wird er per­manent inhaltlich wie formal an die politischen und hegemonialen Bedingungen angepasst, jedoch ohne dass dabei sein ideologischer Kern, das antiliberal-völ­kische Primat, aufgeweicht würde.”


Weiterführende Literatur

Alter Rassismus in neuem Gewand: Die "neue" Rechte. Amadeu-Antonio-Stiftung.

Bruns, Julian; Glösel, Kathrin; Strobl, Natascha (2017): Die Identitären – mehr als nur ein Internet-Phänomen.

Julian Bruns, Kathrin Glösel, Natascha Strobl (2018): Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa.

Helmut Kellershohn (2017): Die Neue Rechte: wo sie herkommt, was sie will, wohin sie geht.

Christian Fuchs, Paul Middelhoff (2019): Das Netzwerk der Neuen Rechten. Wer sie lenkt, er sie finanziert und wie sie die Gesellschaft verändern. (Auf der Publikationsseite der Autoren dieses Werks findet sich auch eine Kartographie des Netzwerks in Deutschland, in der die einzelnen Einrichtungen, Medien und Financiers platziert sind)

Prof. Dr. Richard Stöss (2016): Die "Neue Rechte" in der Bundesrepublik.

Volker Weiß (2017): Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes.

Lukas Hezel (2019): Die rechte Szene in Deutschland – Erscheinungsformen, Entwicklungen und Agitationsmuster. In: Foitzik, Hezel (Hg.) 2019. Diskriminierungskritische Schule.


Was genau steckt hinter der Incel-Ideologie, wieso gibt es so viele Anknüpfungspunkte zum Rechtsextremismus und welche Gefahr geht von der Gemeinschaft aus? Die Moderator*innen Julia Straßer und Sören Musyal gehen diesen und vielen weiteren Fragen in dieser Podcast-Folge auf den Grund.

Incels, male supremacy
(
,,Überlegenheit der Männer”)

Ein zentrales Merkmal des Rechtsextremismus ist der Fokus auf bzw. Propagierung von Ungleichheit. Dazu gehört auch die Hervorhebung von Unterschieden zwischen den Geschlechtern, wobei Männer gegenüber Frauen als überlegen dargestellt werden. Es gibt diesbezüglich verschiedene Ausprägungen des Rechtsextremismus. Der Begriff “male supremacy” (auf Deutsch: männliche Überlegenheit) deckt ein breites Spektrum an hasserfüllten Ideologien ab, bei denen die Unterwerfung von Frauen sowie traditionelle, rigide Geschlechterrollen im Mittelpunkt stehen.

In diesem Kontext sind im letzten Jahrzehnt sogenannten Incels (aus den Wörtern “involuntary celibate”, d.h. unfreiwillig zölibatär) immer stärker in Erscheinung getreten: “Incels ist die Selbstbezeichnung einer in den USA entstandenen Internet-Subkultur von heterosexuellen Männern, die, nach eigenen Aussagen, aufgrund ihres Äußeren keinen Sex haben. Schuld daran seien Frauen und der Feminismus.” (modus extrem 2021) Incels betrachten Männer zwar nicht als per se überlegen, ihre Ideologie fokussiert jedoch auf Hass gegen Frauen.

Weiterführende Quellen

Sara Brzuszkiewicz (2020): Incel Radical Milieu and External Locus of Control
“This paper examines the pillars of incel ideology through an analysis of incels’ own vocabulary and narratives. Based on this analysis, it introduces two distinct research hypotheses. First, it argues that, while consensus is being gradually reached on considering incel violence as terrorism, scholars do not possess an effective analytical framework for studying the broader incel communities and, in order to partly fill this gap, a proper notion is that of a radical milieu, i.e. a community where radicalisation occurs. The second research hypothesis suggests that the radicalisation power of this milieu lies in the external locus of control that most incels adopt and take to the extreme in their perception of themselves and of inter-sex relations.”

Joe Whittaker, William Costello, Andrew G. Thomas (2024): Predicting Harm Among Incels (Involuntary Celibates): The Roles of Mental Health, Ideological Belief and Social Networking
”Incels are a sub-culture community of men who forge a sense of identity around their perceived inability to form sexual or romantic relationships. In recent years, there has been a small, but growing, number of violent attacks that have been attributed to individuals who identify as incels. The purpose of this study was to use a large sample of incels from the UK and US to establish (a) their demographic make-up; (b) the consistency of their attitudes and beliefs; (c) their adherence to a common world view, (d) how they network with other incels; (e) whether there are cross-cultural differences between incels from the UK and US in the above; and finally, whether there is a predictive relationship between incel mental health, networking and ideology and the extent of their harmful attitudes and beliefs.”

Alex diBranco (2020): Male Supremacist Terrorism as a Rising Threat
The recognition of misogyny as a motivating ideology for far-right mobilisation and acts of mass violence has been slow to evolve. Even as there has been a growth in attention to far-right movements and parties in Europe and the United States, this has primarily focused on racist and xenophobic ideology. Since 2018, however, this has begun to change. […] Despite these changes, understanding of male supremacist terrorism remains far behind where it needs to be. As recently as August 2019, the New York Times published an article titled “White Extremist Ideology Drives Many Deadly Shootings,” even though the comprehensive timeline of attacks included misogynist perpetrators of mass violence who were mixed race—all the perpetrators, however, were male.”

William Costello, David M. Buss (2023): Why isn’t There More Incel Violence?
”Incels (involuntary celibates) are an online subculture community of men who form an identity around their perceived inability to form sexual or romantic relationships. They attribute their lack of success to genetic factors, evolved mate preferences, and social inequities. While we have a deep ancestral history of incels, the modern incel community is an evolutionarily novel group that fosters a shared victimhood identity. […] Firstly, we challenge the hypothesis that incels engage in simulated coalitional bargaining for sexual access. While coalitional bargaining for sexual access may have played a role in ancestral populations of involuntarily celibate men, this is not a suitable analysis of modern incels. Instead, the incel community operates as a fatalistic echo-chamber, where failure is celebrated, and individuals discourage each other from pursuing romantic success. Secondly, we critique the association between incels and violence. Contrary to common beliefs, empirical evidence suggests that incels are not particularly prone to violence. Incels’ propensity for violence appears relatively low compared to that of the general population.”

Greta Jasser, Megan Kelly, Ann-Kathrin Rothermel (2020): Male supremacism and the Hanau terrorist attack: between online misogyny and far-right violence
”On the evening of February 19th, 2020, a shooter opened fire at a shisha bar and a kiosk in Hanau, Germany killing nine people and injuring more. After the attack, the suspect apparently returned to his home, killed his mother, and committed suicide. He shared a manifesto detailing the racist and supremacist background of the attack. While the main focus of much of the coverage in German and international media has been the perpetrator’s blatant far-right and xenophobic motivations, several articles have focused on the misogyny present in the manifesto by the Hanau shooter.”

Renske van der Veer (2020): Analysing personal accounts of perpetrators of incel violence: what do they want and who do they target?
“This Perspective approaches the topic of incel violence from the field of gender studies and narratology—the study of stories and narratives. Approaching the topic of incels by using frameworks devised in these fields, and analysing the narratives by incels using the analytical framework devised to analyse female autobiographies in particular, can provide insights that can be valuable to practitioners, policy makers, and academics and to the general public who are trying to understand and respond to this relatively new phenomenon.”

Jon Lewis, Jacob Ware (2020): Spring Provides Timely Reminder of Incel Violence—And Clarifies How to Respond
“Certainly, the incel movement is not cohesive or united under a clear vision of goals, strategies, and tactics. Its logic, or perhaps ideology, is even contested by its members (although all incels will argue that sexually promiscuous and popular men and women, generalized as “Chads” and “Stacys,” are denying them access to what they perceive as a sexual marketplace) and does not always play a central motivating role in attacks by actors on the movement’s fringes. Yet the violent fringes of the incel movement fit relatively neatly into several emerging trends in violent extremism. The ideologically symbolic nature of incels’ typical targets, as well as consistent anti-female narratives permeating the forums, suggests that classifying the acts of attempted or successful violence perpetrated by incels as acts of terrorism at the very least warrants serious discussion.“

Roberta Liggett O’Malley, Brenna Helm (2022): The Role of Perceived Injustice and Need for Esteem on Incel Membership Online
”Incels – a term that stands for “involuntary celibates”—is a subculture of men connected by their inability to obtain romantic and sexual relationships. As a group known for real-world violent attacks, understanding the drivers of online membership offers valuable insight into these vulnerable men. The current study used inductive qualitative analysis of over 8,000 posts made by 703 unique posters in two online incel communities to explore common themes within the process of incel membership online. Qualitative analyses uncovered two higher-order concepts: perceptions of injustice and searching for esteem. Within these concepts several underlying themes emerged: victimization, perceived barriers to manhood, psychological responses, and black pill as liberation. The results posit that one avenue to incel membership comes from heightened perceptions of injustice among these users. In addition, the incel forum offers a strategy to increase self-esteem through online membership, which may be a vital draw for disenfranchised young people. Unfortunately, it seems that online incel membership, while a source of self-esteem, shapes incel perceptions, leading members to re-interpret instances in their lives through the lens of extremist ideology.”


Neonazismus, Skinheads, weisse überlegenheit, Akzelerationismus

Der Begriff Neonazismus verweist auf “Personenzusammenschlüsse und Aktivitäten […], die ein Bekenntnis zur Ideologie des Nationalsozialismus enthalten und auf die Errichtung eines totalitären Führerstaats nach dem Vorbild des "Dritten Reiches" ausgerichtet sind. Das neonazistische Spektrum definiert sich über eine inhaltliche Bezugnahme auf die NS-Ideologie − dies allerdings in unterschiedlicher Ausprägung” (Nandlinger 2008). Die internationale Gruppierung Atomwaffendivision (bzw. National Socialist Order) ist eine der führenden neonazistischen Strukturen, die u.a. auch in Deutschland Mitglieder haben. (vgl. Counter-Extremism Project)

Autonome Nationalisten (Selbstbezeichnung!) “traten zuerst 2003 und verstärkt seit 2008 in Erscheinung. Mit ihren martialischen Methoden und ihrem aggressivem Auftreten sind sie stärker aktionsorientiert als andere Neonazis. Ihr (Event-)Extremismus wirkt nur auf den ersten Blick ideologisch beliebig, ist im Kern aber reine Neonazi-Ideologie” (Bergsdorf).

Rechtsextreme Skinheads bilden eine schwach organisierte aber gewaltorientierte Subkultur (vgl. Eckhard), welche rechtsextreme ideologische Gesinnungen (z.B. Rassismus, Antisemitismus, white supremacy) mit der Skinhead-Kultur kombinieren. Eine der wichtigsten rechtsextremen Skinhead-Gruppen im deutschsprachigen Raum ist “Blood and Honour”.

White supremacy (Überlegenheit der Weißen) ist eine Bewegung, die ein breites Spektrum an rechtsextremen ideologischen Elementen vereint. Grundsätzlich definieren AnhängerInnen der Bewegung die Machtverhältnisse rein nach Rassen und behaupten eine Dominanz der “Weißen” bzw. wollen diese vermeintliche Überlegenheit aufrechterhalten (bzw. “wiederherstellen”). Die Ursprünge dieser Erscheinungsform des Rechtsextremismus ist im Kolonialismus und Nationalsozialismus zu verorten. (vgl. The Soufan Center 2019)

Der Begriff Akzelerationismus (auf Basis des Wortes ‘Beschleunigung’, auf English: accelerationism) verweist auf eine rechtsextreme Ideologie, die einen anstehenden Zusammenbruch der liberal-demokratischen Ordnung hervorsieht bzw. sogar erwünscht und versucht diesen Kollaps zu beschleunigen, um dadurch einen Krieg zwischen “Rassen” zu führen und letztendlich die vermeintlich “traditionellen” Machtverhältnisse bzw. soziale Ordnung “wiederherzustellen”. Die Hauptannahme dieser Ideologie ist, dass dieser Krieg unvermeidbar und gleichzeitig der einzige Weg zur “weißen” Herrschaft sei. Akzelerationismus basiert großteils auf James Masons’ populärer rechtsextremer Ideologieschrift “Siege”. (vgl. Gartenstein-Ross et al. 2020; Dittrich et al. 2022)

Weiterführende Literatur

Jacob Ware (2019): Siege: The Atomwaffen Division and Rising Far-Right Terrorism in the United States
“In the past several years, the United States has witnessed a concerning rise in far-right extremism and terrorist violence. Attackers in Oak Creek, Charleston, and Pittsburgh emerged from an increasingly emboldened radical right, which has grown in size and ambition in recent years. The Atomwaffen Division—a small, neo-Nazi terrorist organisation—is part of this movement. This Policy Brief tracks the reasons behind the American far-right’s rise and increasing turn to terrorism, and warns that the threat is likely to imminently worsen. To illustrate this trend, Atomwaffen’s story is applied as a case study.”

Miro Dittrich, Jan Rathje, Thilo Manemann, Frank Müller (2022): Militanter Akzelerationismus – Ursprung und Aktivität in Deutschland
”Der dritte CeMAS Report „Militanter Akzelerationismus – Ursprung und Aktivität in Deutschland“ ist gleichermaßen eine Zusammenfassung und ein Nachschlagewerk für die Offline- und Online-Aktivitäten militanter rechtsextremer Akzelerationist:innen in Deutschland. Nach einer Einführung in die Ursprünge und die Historie des internationalen rechtsextremen Akzelerationismus, bietet der Report einen Überblick über die Szene und ihre Gruppierungen in Deutschland.”

Ashton Kingdon (2020): The Gift of the Gab: The Utilisation of COVID-19 for Neo-Nazi Recruitment
“Following the confiscation of the domain of the right-wing forum Fascist Forge, neo-Nazi recruiters have been migrating over to the social network Gab and are utilising the global COVID-19 pandemic as an opportunity to disseminate propaganda, and gain support for their accelerationist ideology.”

Bethan Johnson, Matthew Feldman (2021): Siege Culture After Siege: Anatomy of a Neo-Nazi Terrorist Doctrine
“Following an overview of this rehashing of revolutionary National Socialism, this ICCT report shows how the terroristic advocacy of “Siege Culture” has a radicalising effect on right-wing extremists. Then, for the first time, we introduce recent “Siege Culture” texts in light of the specific challenges posed for authorities facing the threat of political violence inspired by this praxis. After analysing Mason’s writings on one “Siege Culture” website following his return on the scene in 2017, this paper concludes with several recommendations for potential means of redress.”

H.E. Upchurch (2021): The Iron March Forum and the Evolution of the “Skull Mask” Neo-Fascist Network
“The backbone of the “skull mask” transnational neo-fascist accelerationist network—whose nodes include terror groups such as Atomwaffen, the Base, and Feuerkrieg Division—is a group of organizations that grew out of Iron March, a neo-fascist web forum that was active from 2011 to 2017. The history of the Iron March network shows that violent extremist movements can develop from online communities even in the absence of a territorial base and without regular in-person contact between members. Iron March provided a closed social space where young neo-fascists who did not fit in well in established neo-fascist organizations could create a transnational collective identity. Eventually, Iron March users sought each other out in person and created local groups that remained networked together by virtue of their common origin in the community created on the web forum.”

B. Rheims; Fabian Jellonnek und Pit Reinesch (2017): Rechtsextremer Sprachjargon mit Symbolcharakter.
“Die rechtsextreme Szene hat sich einen eigenen Sprachgebrauch zugelegt. So sind teilweise Anglizis- men verpönt, werden geographische Bezeichnungen wie „Mitteldeutschland“ im Sinne der eigenen Ideologie umgedeutet und angebliche „Volksfeinde“ mit einer Vielzahl von Begrifflichkeiten diffa- miert. Entstanden sind überdies zahlreiche Zahlen- und Buchstabenkürzel, die für Außenstehende kaum zu deuten sind. Um z.B. in Deutschland verbotene Grußformeln wie „Heil-Hitler“ oder „Mit deutschem Gruß“ zu umgehen, werden Kürzel wie „88“ oder „MDG“ verwendet. Manche dieser Codes sind in der Szene weit verbreitet, andere entspringen nur der Phantasie einzelner Gruppen bzw. Personen und werden nur vor Ort verstanden.”

DÖW: Neonazistische und rassistische Codes.


Umweltschutz, Rechtsesoterik,
Querdenker, Staatsverweigerer

Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine separate Strömung innerhalb des Rechtsextremismus, die sich auf Umweltschutz, Esoterik und damit verwandten Themen fokussiert. Die Grenzen dieser Szene sind fluid und es kommt häufig zu Überlappungen mit Verschwörungsideologien (v.a. in Bezug auf Gesundheit, Medizin und Bildung) und der sogenannten Staatsverweigerer-Szene. Die AkteurInnen fokussieren sich auf den Schutz des “Vaterlandes” aus Sicht der Umwelt bzw. Natur. Die Thematisierung dieser Probleme erfolgt zum Teil aufgrund der strategischen Überlegung, traditionell “linke” Bereiche zu vereinnahmen, oder zumindest nicht “den Linken” zu überlassen.

Eine Szene in diesem rechten Spektrum, denen in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit gewidmet wurde, ist jene der sogenannten Reichsbürger*innen und Souveränist*innen (ähnlich in Österreich: „Staatsverweigerer“). Zentraler Bestandteil des reichsideologischen bzw. souveränistischen Weltbildes ist die Behauptung, die Bundesrepublik Deutschland sei kein legitimer oder souveräner Staat. Reichsbürger*innen behaupten, anders als Souveränist*innen, dass das Deutsche Reich weiter fortbestehe. Diese Behauptung geht mit Verschwörungserzählungen einher, die Bundesrepublik wäre fremdgesteuert. Als Verschwörer werden beispielsweise die Alliierten (insbesondere die Westalliierten) dargestellt. Diese Verschwörungserzählung geht oft mit antisemitischen Vorurteilen einher.  Es besteht zudem eine hohe Affinität zu Waffen: immer wieder sorgt die Szene wegen Waffenfunden und gewalttätigen Übergriffen für Schlagzeilen. Neben Antisemitismus spielen auch Rassismus und die Feindschaft gegenüber Politik und etablierten Medien eine wichtige Rolle. Während der Corona-Pandemie erhielt die reichsideologische Szene in Deutschland weiteren Zulauf und wuchs auf ca. 21.000 Personen an. Die Szene hat einen geringen Organisationsgrad und gilt als zersplittert. Reichsbürger*innen und Souveränist*innen beteiligten sich an Protesten gegen Infektionsschutzmaßnahmen und konnten mit ihren Inhalten bei vielen „Querdenken“-Aktiven andocken. (vgl. Kastrati 2021; Amadeu Antonio Stiftung 2018)


Graue Wölfe

Die sogenannten Graue Wölfe sind eine nationalitische Bewegung. Sie vertreten eine rechtsextreme Ideologie, die mit Elementen aus islamistischem Extremismus kombiniert ist. Die Gruppe hat einen türkischen Hintergrund und ist in Deutschland und Österreich in mehreren Städten präsent. (vgl. Bozay 2017) Mit geschätzten 18.000 Mitgliedern (Stand: 2017) ist die Bewegung die größte rechtsextreme Organisation in Deutschland. Ihr Symbol ist der „Graue Wolf“ (Bozkurt); sie selbst nennen sich „Ülkücü"-Anhänger – ins Deutsche übersetzt so viel wie "Idealismus". Sie propagieren einen „ethnischen Nationalismus“ und ihr großes Ideal ist "Turan", ein großtürkisches Reich, sowie die Eliminierung der politischen Gegner. (vgl. Bozay 2017)

Die Grauen Wölfe sind türkische Rechtsextreme und seit Jahrzehnten in Österreich und Deutschland aktiv. Angriffe und Schlägereien gehören zur Tagesordnung, schaffen es aber selten in die Medien, sagt Thomas Rammerstorfer.

Weiterführende Quellen

Kemal Bozay, BPB (2017): Graue Wölfe: Die Größte rechtsextreme Organisation in Deutschland
Seit mehr als fünf Jahrzehnten existiert in der Türkei eine ultranationalistische, rassistische und gewalttätige Bewegung, deren Traditionen weit in die Geschichte zurückreichen. Mit zahlreichen Vereinen und mehreren Dachverbänden ist sie auch in Deutschland präsent. Die sogenannten "Grauen Wölfe" verstärken Spannungen unter türkeistämmigen Menschen und richten sich gegen das im Grundgesetz formulierte Prinzip der Menschenwürde – in den vergangenen Jahren haben sie ihre Aktivitäten verstärkt.”

Thomas Rammerstorfer (2018): Graue Wölfe. Türkische Rechtsextreme und ihr Einfluss in Deutschland und Österreich.
”Die rechtsextremen "Graue Wölfe" spielen innerhalb der türkisch-stämmigen Communities in Deutschland und Österreich nach wie vor eine wichtige Rolle. Die Erscheinungsformen haben sich ausdifferenziert: Straff organisierte Parteikader einerseits, subkulturell inspirierte Jugendgangs mit Rebellenhabitus andererseits, finden sich unter dem gemeinsamen ideologischen Dach türkischer Großmachtsfantasien. Thomas Rammerstorfer versucht in diesem Band ein objektives Bild des türkischen Rechtsextremismus in Deutschland und Österreich zu zeichnen. Ohne Verharmlosung ebenso wie ohne Skandalisierung.“

MENA Forschungs- und Studienzentrum (2020): Die Grauen Wölfe erobern Europa.
Ihr Symbol: der graue Wolf. Ihr Name: Ülkücü, türkisch für Idealist. Ihr Anführer: Alparslan Türkes. Ihr Ziel: ein türkisches Reich und die Beseitigung politischer Gegner. Sie sind nicht mehr nur in der Türkei organisiert, es gibt auch mindestens 20.000 türkische Ultra-Nationalisten in Deutschland und rund 5.000 in Österreich und die Zahl der Unterstützer steigt.”

Alia Sembol (2016): Die ultranationalistische türkische Ülkücü-Bewegung am Beispiel Bayern.
“Wem und wohin gehören die Türken in Deutschland denn nun? Es ist ein Gezerre und Gehetze um die ungeliebten Dagebliebenen. Wenn die NPD die Parolen „Deutschland den Deutschen“ und fast interkulturell angehaucht, „Türkiye Türklerindir“, „Türkei den Türken“, auf einem Wahlplakat präsentiert, fällt das nur den Expert_innen auf. Die Mehrheitsgesellschaft nimmt wenig Notiz davon. Die türkischen Medien dagegen registrieren solche Ereignisse sehr genau. Schockiert sind sie jedoch kaum. Schließlich ist das nicht neu! Neu ist nur, dass die NPD türkisch gelernt hat.”

Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V. (2016): „Ich bin stolz, Türke zu sein!“ Graue Wölfe und türkischer (Rechts-)Nationalismus in Deutschland. 
“Die vorliegende Broschüre [möchte] eine aktuelle Facette des Rechtsnationalismus in der Migrationsgesellschaft, nämlich den türkischen Rechtsnationalismus, aufgreifen und beleuchten. […] Es wird untersucht, welche Ausprägungen extrem rechter, rassistischer und / oder nationalistischer Organisationen und Netzwerke in türkeistämmigen Communities erkennbar sind. Wichtig ist klarzustellen, dass diese Broschüre sich mit nationalistischen bis hin zu extrem rechten Strukturen und Organisationen auseinandersetzt und keineswegs die große Mehrheit der türkeistämmigen Community im Fokus hat. Demokratiefeindliche Tendenzen von extrem rechten türkischen Organisationen schaffen in der Gesamtgesellschaft einen Nährboden für Vorurteile, Ausgrenzung und Hass. Zugleich polarisieren sie auch innerhalb der türkeistämmigen Migrant*innengruppen und fördern ein Klima von Verunsicherung, Angst und Bedrohung.“

Bpb (2017): Einführung: Graue Wölfe und türkischer Ultranationalismus in Deutschland.

Die Grauen Wölfe, eine rechtsextreme Organisation, die sich kaum im Blickfeld der Öffentlichkeit befindet. Ihre Anhängerinnen und Anhänger sind türkische Rechtsextreme. Welche Gefahr geht von ihnen aus?