STRATEGIEN VON RECHTSEXTREMEN

Gaming, Trolling, Chankultur

Verschiedene rechtsextreme AkteurInnen verwenden Videospiele für die Rekrutierung und Verbreitung von Propaganda. Diese Taktik ist Teil einer umfangreicheren Online-Strategie von Rechtsextremen, zu der u.a. auch “Trolling” gehört.

Quellen zum Thema online strategien

Albrecht, Stephen; Fielitz, Maik; Marcks, Holger (2019): Rechtsextremismus: Digitale Hasskulturen und ihre Folgen
“Hass und Hetze in den sozialen Medien gehen mit Gewalt und Terror in der realen Welt einher. Insbesondere im rechtsextremen Spektrum sind Akte der politischen Gewalt mit interaktiver Kommunikation im Internet verzahnt. Sie entspringen einer virtuellen Gemeinschaft, die mit ihren politischen Gegnern abrechnet – online und offline.”

Schlegel, Linda (2021): Let’s Talk about Games, Baby: Extremist Use of Gaming (-Adjacent) Platforms
“In 2020, the EU Counter-Terrorism Coordinator issued a warning that extremists are increasingly present in digital gaming spaces and in 2021, the EU Terrorism Situation and Trend Report detailed that right-wing extremist actors in particular use both videogames and related platforms to disseminate their propaganda. While much of the potential nexus between gaming and extremism remains severely under-researched, the following Insight provides a preliminary overview of the gaming (-adjacent) platforms currently used by extremist actors and both strategic and organic reasons for their presence there. It is based on a recent RAN publication.”

Schlegel, Linda (2021): The gamification of violent extremism & lessons for P/CVE
”As game elements seem to become increasingly prominent in contemporary extremist milieus, those involved in the implementation of prevention and countermeasures need to be aware of this trend, understand its mechanisms and implications, and, ultimately, consider potential applications of gamification components in preventing and countering violent extremism (P/CVE) efforts. After providing a brief introduction to gamification as such, this paper provides an overview of the use of gamification within extremist communities and the mechanisms by which it makes propaganda more attractive. Then, the potential for gamification in the P/CVE context is considered.”

“Nach dem rechtsterroristischen Attentat in Halle am 9.Oktober 2019 wurde in den Medien von einem "ChanTerrorismus" und einer "Gamifikation" des Terrors gesprochen. Kurz danach hieß es, dass die Gamerszene nun stärker bewacht werden müsse, denn der Attentäter, so die Annahme, sei Gamer und in Gamerforen unterwegs gewesen und habe das Attentat wie ein Computerspiel inszeniert. Kann man diesen Online Foren und Gaming Communities vorwerfen Radikalisierungsbeschleuniger zu sein? Wie genau funktionieren sie und sind sie die Keimzelle für den rechten Terror?”

In einer Sonderfolge sprechen Julia Straßer und Sören Musyal mit Flemming Ipsen (jugendschutz.net), Johannes Baldauf (Facebook), Maik Fielitz (Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft) und Carolina Beraldo (Gamerin und Streamerin) unter anderem über vermeintlich böse Gamer*innen, die Sinnhaftigkeit von Verboten und Trolle, die zur Tat schreiten.

Rechtsextreme Jugendkulturen: Rap, Gaming, Graffiti und TikTok

Schlegel, Linda (2021): Competing, Connecting, Having Fun: How Gamification Could Make Extremist Content More Appealing
“Do extremists like to play? A few years ago, this question may have sounded ridiculous. But since the livestreamed attack in Christchurch and subsequent attacks across the globe making use of and reference to video gaming and online gaming communities as well as increasing evidence that extremists are using gaming (-adjacent) platforms such as DLive, Discord, Steam and Twitch, it does not sound so absurd after all to ask about the potential interplay between gaming and extremism.”

Amadeu Antonio Stiftung (2021): Unverpixelter Hass. Toxische und rechtsextreme Gaming-Communitys.


rechtsextreme Deutungsrahmen

In Zeiten der Corona-Pandemie hat sich die Reichweite rechtsextremer Kanäle und Gruppen dramatisch gesteigert. Warum ist das so? Welche Inhalte werden dort geteilt? Und wieso ist gerade Telegram so attraktiv für rechtsradikale Akteur*innen?

Rechtsextreme verwenden bestimmte Frames bzw. Narrative, um neue Mitglieder zu rekrutieren, bestehende Mitglieder zu mobilisieren bzw. ihre Propaganda zu verbreiten.

Informationen zu den spezifischen Narrativen und wie sie eingesetzt werden:

Richard Kuchta, Dominik Hammer, Lea Gerster & Christian Schwieter (2021): Um- und Abwege. Online-Strategien zur Verbreitung rechtsextremer Inhalte.
“Seit Anfang 2021 untersucht ISD Germany rechtsextreme Akteur:innen auf den alternativen Plattformen im Internet. Im Rahmen des von BMJV geförderten Projektes »Radikalisierung in rechtsextremen Online-Subkulturen entgegentreten« wurden dieses Jahr drei Reports veröffentlicht. Der letzte Bericht in 2021 »Um- und Abwege Online-Strategien zur Verbreitung rechtsextremer Inhalte« liefert eine Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse sowie einen Abriss über zukünftige methodologische Herausforderungen.”

Amadeu Antonio Stiftung: Alternative Wirklichkeiten. Monitoring rechts-alternativer Medienstrategien.

Diana Rieger (2019): Diskussionsräume und Radikalisierungsprozesse in sozialen Medien.

Ahmed, Reem; Pisoiu, Daniela (2019): How extreme is the European far right? Investigating overlaps in the German far-right scene on Twitter
“Recent analyses of the far right […] have indicated social and discursive overlaps between the ‘extreme’ and ‘radical’ right-wing parties and groups. The findings reported herein challenge this traditional separation within the far-right spectrum, and potentially have deeper theoretical and methodological implications for how we study the far right. The Internet adds another dimension to this threat, as far-right discourse becomes more visible on social media and messaging applications, potentially attracting more people to the cause as well as mainstreaming and legitimising particular narratives prominent in the scene.”

Maura Conway, Ryan Scrivens, Logan Macnair (2019): Right-Wing Extremists’ Persistent Online Presence: History and Contemporary Trends
“This policy brief traces how Western right-wing extremists have exploited the power of the internet from early dial-up bulletin board systems to contemporary social media and messaging apps. It demonstrates how the extreme right has been quick to adopt a variety of emerging online tools, not only to connect with the like-minded, but to radicalise some audiences while intimidating others, and ultimately to recruit new members, some of whom have engaged in hate crimes and/or terrorism.”

jugendschutz.net: Rechtsextremismus im Netz (2020/2021)
Bericht von jugendschutz.net zu Themen und Trends rechtsextremistischer Onlinepropaganda sowie Gegenmaßnahmen.

Patrick Wielowiejski und Lena Rahn: Sexualisierte Gewalt und Neonazismus am Beispiel der Kampagne ‚Todesstrafe für Kinderschänder’. In: Hechler, Andreas [Hrsg.]; Stuve, Olaf [Hrsg.]: Geschlechterreflektierte Pädagogik gegen Rechts.
“Seit einigen Jahren greifen Neonazis das Thema sexualisierte Gewalt in der  Kampagne ‚Todesstrafe für Kinderschänder‘ auf. Sie solidarisieren sich öffentlich mit Kampagnen gegen sexualisierte Gewalt und einschlägige Bands der Szene spielen Lieder wie Kindermörderland und Wir hassen Kinderschänder. Der vorliegende Artikel analysiert dieses Phänomen als Teil der Normalisierungsstrategie von Neonazis, mithilfe derer sie versuchen anschluss- und mehrheitsfähiger zu werden.”

Stegemann, Patrick/ Musyal, Sören: Die rechte Mobilmachung. Wie radikale Netzaktivisten die Demokratie angreifen. Berlin 2020. 

Amadeu Antonio Stiftung (2020): Rechtsterroristische Online-Subkulturen. Analysen und Handlungsempfehlungen.


Ästhetik

Ästhetik ist ein wichtiger Teil rechtsextremer Strategien, um eine (Gruppen-)Identität zu schaffen, mit der sich die Mitglieder vom Mainstream abgrenzen wollen. Je nach ideologischer bzw. strategischer Ausprägung unterscheidet sich die spezifische Ästhetik, die rechtsextreme AkteurInnen verwenden. Beispiels-weise sind bei den “Neuen Rechten” in letzter Zeit Schuhe der Marke “New Balance” als Zeichen der Zugehörigkeit zur Szene verbreitet.

Weiterführende Literatur

Daniel Hornuff (2019): Die Neue Rechte und ihr Design. Vom ästhetischen Angriff auf die offene Gesellschaft
“Das Neue an der Neuen Rechten ist nicht ihre Ideologie, sondern deren öffentliches Erscheinen. Der Angriff auf die offene Gesellschaft wird vor allem mit ästhetischen Mitteln geführt. Die Neue Rechte setzt Design und Bilder als zersetzende Werkzeuge ein. Sie übernimmt eine ursprünglich progressive Ästhetik und wendet sie subversiv: Rassismus designt sie zum Diversity Management, Nationalismus zum Wohlfühl-Lifestyle, der »Hipster-Nazi« ist keine Satire und sexistischer Feminismus kein Widerspruch. Daniel Hornuffs Analyse zeigt, dass die Verteidigung der offenen Gesellshaft nicht nur eine politische, sondern auch eine ästhetische Aufgabe ist.”

Lisa Bogerts, Malik Fielitz (2020): The Visual Culture of Far-Right Terrorism
“The recent wave of far-right terrorist attacks challenges academic knowledge on extremist violence and demands a new perspective. Rather than acting on behalf of political organizations, most of the perpetrators promote digital hate communities that predominantly interact via visual language such as memes. These images, which are often-humorous, aim to accustom users to violence and make neo-Nazism accessible and appealing through modern aesthetics and pop-cultural references. Hence, to fully understand contemporary far-right terrorism and its underlying worldviews, we need to systematically analyze visual mobilization and persuasion strategies. This blog post makes the case for a visual culture perspective and transdisciplinary visual analysis to examine how far-right actors radicalise sympathisers in loosely organised online networks.”

Jan Christoph Rödel: Rechtsextreme Dresscodes.

Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, Niedersachsen (2020): „Zur Schau getragen“. Symbole, Codes und Marken der extremen Rechten.

Regionale Beratungsteams gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein (2019): Erkannt? Aktuelle Erscheinungsformen des Rechtsextremismus.

Regionale Beratungsteams gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein (2021): Broschüre in einfacher Sprache „Ist das rechts-extrem? Zeichen und Gruppen erkennen“.


MUSIK

Wo stecken die Gefahren von Musik mit ideologischem Hintergrund? Wird durch Musik radikalisiert und wenn ja, wie? Und was sind die aktuellen Trends auf dem Gebiet?

Musik spielt in extremistischen Strategien eine zentrale Rolle, auch im Rechtsextremismus. In vielen Fällen bietet szenetypische Musik einen erleichterten Einstieg in die Szene bzw. in die Ideologie, ohne dass man diese sofort als extremistisch erkennt. Rechtsextreme bieten ein breites Spektrum an Musikformen an, je nach ideologischer Auffassung: Deutschrap, Rechtsrock, aber auch Synthwave (sowie “Fashwave”) sind weit in den jeweiligen Szenen verbreitet.

Weiterführende Literatur

Elmar Vieregge: Rechtsextremistische Musik - zwischen Propaganda, Nachwuchswerbung und Profit
“Nach dem Untergang des „Dritten Reichs“ stand die rechtsextremistische Szene Deutschlands vor dem Problem der Überalterung. Mit ihrer rückwärtsgewandten Ausrichtung bot sie jungen Menschen nur wenige für sie interessante Anknüpfungspunkte. Seit Mitte der 1980er Jahre spricht sie jedoch Jugendliche stärker an und gewinnt dadurch Nachwuchs. Ein Mittel dafür ist der Einsatz von Musik.”

FIPU (2018): Der Nazis neue Töne. Neuere Entwicklungen im österreichischen Rechtsrock.
Welchen Stellenwert hat heute Musik für die neonazistische und extreme Rechte Österreichs? Welche Bands sind bedeutend und bestehen Strukturen, die musikalischen Erfolg in Geld für die rechtsextreme Szene umwandeln können?

Sam de Boise (2021): Music and Online Far-Right Extremism.
The idea that music leads to extreme behaviour has a long history, ranging from Plato to black metal. Blues artists were accused of worshipping the devil. In the ‘60s, the Manson Family murders were infamously linked to the Beatle’s White Album, in the 80s and 90s, heavy metal (and Madonna) were linked to sadomasochism and violence. Goth has been blamed for school shootings, nun-murder and Satanism and black metal has been linked to church burnings in Norway. The list goes on.

DÖW: Musik als Propagandamittel.

Regionale Beratungsteams gegen Rechtsextremismus Schleswig-Holstein (2020): Rechte Klangwelten. Von Rechtsextremismus bis in die `Mitte der Gesellschaft´.


Neue Entwicklung in rechten Szenen: ideologische und strategische Konvergenz
mit islamistischen Extremisten

Screenshot aus einer rechtsextremen Online-Chatgruppe (August, 2021), als die islamistisch-extremistischen Taliban von der deutschsprachigen “Neuen Rechten” mit szenetypischen Memes bejubelt werden.

Eine relativ neue Entwicklung in rechtsextremen Szenen ist die immer häufiger auftretende ideologische Konvergenz mit islamistischen Extremisten. Dieser Trend wurde in letzter Zeit sowohl bei Neo-Nazi- Gruppierungen als auch bei neu-rechten AkteurInnen beobachtet.

Quellen zu dieser entwicklung:

Julien Bellaiche (2021): Connecting the Fringes: Neo-Nazi Glorification of Salafi-Jihadi Representations Online
“This Insight will provide selected examples of images displaying Salafi-Jihadi representations circulating in neo-Nazi social media channels and will dissect the factors allowing for their existence. It will then propose an assessment of the potential implications of their dissemination on the dynamics of radicalisation.”

Moustafa Ayad (2021): Islamogram: Salafism and Alt-Right Online Subcultures
“This report provides an ethnographic deep dive into an emerging online Salafi ecosystem, referred to by its members as ‘Islamogram’. This highly active online community merges Salafist ideas with alt-right memes and gaming subcultures, and represents a hybridised cross-platform challenge, speaking to an emerging trend characterised by increasing ideological fluidity between diverse online extremist communities.”

Marc‐André Argentino, Amarnath Amarasingam, Emmi Conley  (2022): “One Struggle”: Examining Narrative Syncretism between Accelerationists and Salafi‐Jihadists 

This report looks at the evolving narrative and aesthetic convergence between elements of neo‐fascist accelerationists and salafi‐jihadists. We argue that while extremism research generally takes seriously a movement’s ideological rigidity, there are interesting developments happening on the fringes of some of these groups that warrants academic and policy interest. These ecosystems and the networks they contain are not less serious or severe than the more centralised movements of the past and they present new opportunities for threat actors to influence one another through cohabitation of digital environments. This does not demonstrate weakened ideological commitment, but instead an enhanced focus on results over practice.”


Protestformen

In nicht-gewaltorientierten rechtsextremen Kreisen spielt politischer Aktivismus als Protestform eine zentrale Rolle, um die eigene Propaganda zu verbreiten, Aufmerksamkeit zu gewinnen und neue Mitglieder zu rekrutieren. (vgl. Eckhard) Dazu gehört zunehmend der online betriebene Aktivismus, der sich häufig zu Hasskampagnen entwickelt (vgl. Albrecht et al. 2019, siehe auch “Strategie: Gaming, Trolling, Chankultur” oben auf dieser Seite).

Quellen zu rechtsextremen Protestformen

Albrecht, Stephen; Fielitz, Maik; Marcks, Holger (2019): Rechtsextremismus: Digitale Hasskulturen und ihre Folgen.
“Hass und Hetze in den sozialen Medien gehen mit Gewalt und Terror in der realen Welt einher. Insbesondere im rechtsextremen Spektrum sind Akte der politischen Gewalt mit interaktiver Kommunikation im Internet verzahnt. Sie entspringen einer virtuellen Gemeinschaft, die mit ihren politischen Gegnern abrechnet – online und offline.”

Bruns, Julian; Glösel, Kathrin; Strobl, Natascha (2018): Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa.

Pasieka, Agnieszka (2020): Der Reiz der rechten Szene.
Was macht die Anziehungskraft rechtsextremer Organisationen auf die bürgerliche Mitte aus? Indem sie Aktivistinnen und Aktivisten begleitet, untersucht Agnieszka Pasieka, wie rechtsextreme Gruppen durch soziales Engagement in die Mitte der Gesellschaft vordringen. Die Analysen der Sozialanthropologin brechen mit gängigen Erzählungen von Ausgrenzung und Verlierertum.”